(aus Amelang & Zielinski „Psychologische Diagnostik und Intervention“ S. 421-430)

Die Fragestellung sowie der Untersuchungsplan zur Erhebung diagnostischer Informationen, die eingesetzten Verfahren, die ermittelten Daten sowie die daraus gezogenen Schlussfolgerungen werden häufig in Form eines Gutachtens festgehalten.

Definition

Psychodiagnostische Gutachten sind Gutachten für (meist fachfremde) Dritte als selbstständige (in sich geschlossene) zusammenfassende Darstellung der psychodiagnostischen Vorgehensweise, der Befunde und Schlussfolgerungen in Bezug auf eine hinsichtlich einer konkreten Fragestellung zu begutachtenden Person, Institution oder Situation, basierend auf einem der Fragestellung gemäßen, angemessen komplexen diagnostischen Prozess für einen Gutachtenempfänger (Auftraggeber).

Mit Hilfe des Gutachtens soll sein Empfänger Entscheidungen in seinem System (seinem diagnostischen Prozess) fundierter treffen können.

Verbindliche Kriterien für Gutachten und Untersuchungsberichte

  • Sorgfaltspflicht
    • die Erstellung und Verwendung von Gutachten erfolgt unter größtmöglicher sachlicher und wissenschaftlicher Fundiertheit
      • Wann ist ein Gutachten wissenschaftlich fundiert? Wenn sich das Gutachten an Instrumenten bediente, die dem Stand der heutigen Wissenschaft entsprechen
  • Transparenz
    • Gutachten müssen für den Adressaten verständlich sein, kein Fachchinesisch!
      • = “Klientenzentrierter Ansatz aka. Rezipientenorientierter Ansatz”
  • Einsichtnahme
    • sind Auftraggeber und Begutachter nicht identisch, kann das Gutachten nur mit Einwilligung des Auftragsgeber dem Begutachteten zugänglich gemacht werden; der Psychologe sollte allerdings auf den Auftraggeber einwirken, dass das Gutachten dem zu Beurteilenden bei Interesse auch vorgelegt wird – es sei denn es mit einem gesundheitlichen Schaden verbunden
    • falls die Einsichtnahme von Vorneherein ausgeschlossen ist, muss dies dem zu Begutachtenden mitgeteilt werden
    • Im Sinne eines Fortschritts: Wie kann man es in Zukunft besser machen
  • Gefälligkeitsgutachten
    • sind grundsätzlich nicht zulässig; dies gilt auch für Gutachten die Psychologen ohne eigenes Zutun von Dritten haben erstellen lassen
    • eng verknüpft mit Befangenheit
    • Verstoß gegen Berufskodex wenn man trotzdem ein Gutachten ausstellt
    • “Wenn vor einem Gutachten schon das Ergebnis feststeht” Ein Gutachten ist immer ergebnisoffen
  • Stellungnahme zu Gutachten von Kollegen
    • sind möglich – allerdings sind die ethischen Richtlinien (kollegiales Verhalten) zu berücksichtigen

Voraussetzungen für die Übernahme eines Gutachtens

  • Ist die Fragestellung ethisch vertretbar und grundsätzlich zu beantworten?
    • zB. - ethisch nicht vertretbar, wenn das Gutachten zu einem Schaden führt für begutachtete Person (Bsp.: Stigmatisierung)
  • Besitzt der Psychologe ausreichendes Fachwissen, um die Fragestellung zu beantworten?
  • Um eine Fragestellung und damit den Auftrag zu übernehmen, muss diese präzise und eindeutig formuliert sein!

Verhaltensgleichung

Aufbau des Gutachtens

Bonner Schema des Gutachtens ist schulenunabhängig

  • Erfunden von Hermann Josef Fisseni

  • Übersicht (Fragestellung, Fragesteller, Untersucher, Adressaten, Untersuchungstermine, Untersuchungsverfahren)

  • Vorgeschichte (Zusammenstellung der Einzelinformationen, die der Diagnostiker zu Beginn der Untersuchung vorfindet)

  • Untersuchungsbericht (Zusammenstellung der Einzelinformationen, die der Diagnostiker bei dem/den Klienten erhebt inkl. Testbeschreibung, Verhaltensbeobachtung, Ergebnisbericht)

  • Befund (Integration der Einzelinformationen aus Vorgeschichte und Untersuchungsbericht)

  • Stellungnahme (Beantwortung der Fragestellung aufgrund von Vorgeschichte, Untersuchungsbericht und Befund in Form von Diagnose und/oder Entscheidungsvorschlag)